100 Nachwuchshausärzte für Chemnitz – und trotzdem schließen Hausarztpraxen ohne Nachfolge. Warum?

100 Nachwuchshausärzte für Chemnitz – und trotzdem schließen Hausarztpraxen ohne Nachfolge. Warum?

Seit 2015 ist der Weiterbildungsverbund (WBV) Hausärzte für Chemnitz aktiv. Seit 2017 trägt auch die Kommune in Form ihrer städtischen Projektgesellschaft CWE ihren Teil dazu bei. Seit 2019 wird der WBV durch das Sächsische Sozialministerium und die Landesärztekammer gefördert. Das Ergebnis: seither konnten fast 100 Nachwuchshausärzte für die Stadt gewonnen werden, die Hälfte ist bereits niedergelassen, die andere Hälfte befindet sich aktuell in der Facharztweiterbildung. Mächtige Zahlen! Und trotzdem schließen in der Großstadt noch immer Hausarztpraxen ohne Nachfolge, 44,5 KV-Sitze sind bereits offen. Warum eigentlich? Und bringt der Weiterbildungsverbund dann überhaupt was?

Wo kommen wir her?

Chemnitz ist auf Platz 1 der offenen KV-Sitze bei Hausärzten in Sachsen. „Das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Laura Thieme, eine der WBV-Verbundkoordinatorinnen in Chemnitz und Projektleiterin bei der CWE. „Einerseits ist damit die medizinische Versorgung der Patienten nicht ausreichend sichergestellt. Andererseits gibt es gerade so viele Möglichkeiten wie noch nie, Förderungen für die Niederlassung und Facharztweiterbildung in einer Großstadt zu erhalten und zugleich die Bewerber für Chemnitz zu begeistern – der Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 trägt natürlich dazu bei.“

Aber nicht nur die offenen KV-Sitze sind zu besetzen. Bis zum Jahr 2030 sind rund 50 Hausärzte mindestens 65 Jahre und könnten in ihren wohlverdienten Ruhestand gehen. Gemeinsam mit den offenen KV-Sitzen sind perspektivisch rund 100 Hausärzte auszugleichen. Es bleibt also eine Mammutaufgabe. Inwiefern die Ärztinnen und Ärzte der ambulanten Versorgung erhalten bleiben, ist abzuwarten.

Ein positiver Trend zeigt sich bereits: die Anzahl der tätigen Hausärztinnen und Hausärzte ist gegenüber 2017 gestiegen trotz Praxisabgaben. Aber es schließen immer noch Hausarztpraxen ohne Nachfolge obwohl so viel Nachwuchs bereits angekommen ist. Woran liegt das?

Macht das alles Sinn?

Absolut! 48,5 Hausärztinnen und Hausärzte wurden für Chemnitz gewonnen, dagegen haben 30 Praxen ohne Nachfolge geschlossen. „Worauf es am Ende ankommt: in Summe werden jetzt mehr Patienten versorgt“, sagt Laura Thieme und ergänzt, dass es fünf Faktoren gibt, warum aktuell Praxen ohne Nachfolge schließen: „Raum, Lage, Preis, Zeit und Sympathie. Teils entsprechen die Räumlichkeiten nicht mehr den aktuellen Arbeitsstandards und Vorstellungen der Übernehmenden, ein Umbau ist oft nicht realistisch. Die Lage nimmt bei der Vereinbarkeit von Schul- und Arbeitsweg einen höheren Stellenwert ein. Dazu kommen immer wieder zu hohe Übergabesummen. Außerdem braucht es genug zeitlichen Vorlauf, manche Praxisabgebenden melden sich bei uns erst ein halbes Jahr vor Abgabe und finden so schnell natürlich niemanden. Dabei zeigt unsere Erfahrung, dass man ungefähr fünf Jahre für den gesamten Prozess braucht. Und schlussendlich müssen sich beide Parteien auch sympathisch sein, damit alles charmant über die Bühne geht, vor allem wenn die abgebende Person noch ein bisschen mitarbeiten möchte.“

Wo wollen wir hin?

Ein Weiterbildungsverbund bietet mit stationären und ambulanten Partnern die Facharztweiterbildung aus einer Hand und ist damit ein Teil auf dem Weg zur Niederlassung bzw. Anstellung. Doch der WBV reicht aufgrund seines Fokusthemas nicht aus, auch der Übergang zur eigenen Niederlassung oder Anstellung muss aktiv regional unterstützt werden. In Chemnitz hat die CWE deswegen zusätzlich zum WBV die Initiative NEUE GESUNDHEIT gegründet, um den Übergang zwischen Weiterbildung und Facharzt-Dasein zu schaffen, Kontakt zu den Landesinstitutionen, zu Praxisabgebenden und zu Erfahrungsträgern herzustellen, dabei nehmen Immobilien- und Fachkräftethemen eine starke Rolle ein, genauso wie die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und vielem mehr.

Laura Thieme ergänzt: „Wir ermutigen jede Region und jede Praxis in Austausch zu gehen, sich selbst weiterzuempfehlen und sich selbst immer wieder ins Spiel zu bringen. Damit die Ergebnisse des WBV gewinnbringend sind, muss nach der Facharztprüfung regional weiter unterstützt werden, ggf. Strukturen aufgebaut werden. In Sachsen haben wir mit den verschiedenen Institutionen bereits das richtige Handwerkszeug. Es muss nur individuell für die jeweilige Person vernetzt werden. Und am Ende sind die Nachwuchshausärzte die Weiterbilder von Morgen.“

 

Chemnitz seit 2017

99,5 Nachwuchshausärztinnen und -hausärzte für Chemnitz gefunden seit 2017
Davon 48,5 bereits niedergelassen, 51 in Aus- und Weiterbildung
Praxisschließungen werden durch neue Hausärztinnen und Hausärzte überholt.
Anstellung und eigene Praxis liegen als Arbeitsform gleichauf.
Chemnitz braucht mehr aktive Weiterbildungspraxen.
Zweidrittel der aktuell tätigen 157 Hausärztinnen und Hausärzten sind über 50 Jahre, bis 2030 werden rund 50 im Rentenalter sein und könnten ihre Praxen aufgeben. 


Hausärztenachwuchs bleibt eine Mammutaufgabe. 
www.chemnitz-neue-gesundheit.de/hausaerzte-in-zahlen

 

 

 

 

Laura Thieme

Weiterbildungsverbund Hausärzte für Chemnitz und

Initiative NEUE GESUNDHEIT Chemnitz,

CWE mbH Chemnitz – Tourismus | Marketing | Projekte